JIGO-HO
Aikido als „Methode der Selbstverteidigung“
Anmerkungen gegen Mißverständnisse
Inhalt
- Was Selbstverteidigung angeht
- „Aber was machst Du, wenn …?“
- „Das ist kein ‚realistischer‘ Angriff !“
- Partner in Angriff und Abwehr
- Unscheinbare Elemente der Selbstverteidigung
- Selbstverteidigung gegen Messer
- Techniken, die „nie gehen“
- Was heißt hier „Kampfkunst“? Wieso wird nicht gekämpft ?
- Innere Kampfkunst
- „… und was ist mit Spaß & Sport ?“
- Textkopie “Ouyouwaza and Henkawaza”
- Exkurs und Links zu Aiki-Jujutsu
Links zu anderen Sites  öffnen im gleichen neuen Fenster
Was Selbstverteidigung angeht
Vermutlich können alle Künste, die dem Kampf entstammen, der
Selbstverteidigung dienen. Man muß nur gut sein, und in den
verschiedenen Kampfkünsten ist es eben verschieden schwer, gut genug zu
werden.
Im Aikido wird nicht gekämpft, weder in Übungen noch in
Wettbewerben. Es gibt keine Wettkämpfe. Die Hebel, Stöße und
Würfe sind den Reaktionen und der Fallschule des Partners
angepaßt, aber letztlich „echt“, und nicht nur angedeutet.
Es gibt auch keine besonderen Angriffsformen, die gelernt oder gelehrt
werden könnten. Viel mehr schult sich der angreifende Partner, die
(irgendwann freie) Abwehr sicher zu überstehen, wenn er denn
realistischer angreifen will. Nur wer über geübte, gut reagierende
Partner verfügt, kann Aikido richtig üben und sollte dafür
selbst ein fähiger und fortgeschrittener Partner werden.
„Aber was machst Du, wenn …?“
„Aber was machst Du, wenn ich jetzt …?“ dies
oder das tue. Gemeint ist meistens (1) ein anderer oder zusätzlicher
Angriff als der, der gerade geübt wird. Oder (2) ein besonders
schwieriger, weil in der Praxis gefährlicher Angriff (Fauststoß,
Fußtritt, Waffe &c). Oder (3) eine reichlich unangenehme
Ausgangslage (Tritt in Kniekehle, liegend Hände auf dem Rücken, Messer am Hals,
Kugel schon im Kopf).
- Man macht vorher etwas anders oder es
gegenwärtig etwas besser. Entweder war der Angriff
falsch eingeschätzt oder der Angreifer nicht
genug beschäftigt.
Kombinierte Angriffe, Täuschungen, kampferprobte
trainierte Gegner sind nicht trivial. Wir sind aber keine
ultimate fighters und üben hier nicht für
die Schlachten untergegangener Krieger-Kasten.
- Es gibt für beliebig schwierige und gefährliche Angriffe
Grenzen der einfachen, sanften und harmlosen Abwehr. Erst mal
leichte Angriffe abwehren und (als Angreifer) harte Abwehren überstehen
können.
- Man darf es nicht so weit kommen lassen.
Aufmerksamkeit ist wichtig, der sichere Abstand ist wichtig, der richtige Zeitpunkt
ist wichtig. Achtsamkeit und vorausschauende Bewegung kann man durch
Technik schulen, aber nicht ersetzen.
Irgendwann ist eben immer und alles zu spät.
Kaum eine Aikido-Technik ist dafür gedacht oder geeignet,
gegen größeren Widerstand durchgesetzt zu werden.
Besonders dann nicht, wenn ein Angreifer weiß, welche Abwehr ihn in
einer Übung erwartet und er sich bewußt „dagegen“
bewegen kann. Oder wenn wir, unaufmerksam und den Angriff falsch
einschätzend, viel zu spät handeln. Gerade ein Anfänger kann im
Training leicht inmitten einer Abwehr seinen Angriff
ergänzen und erschweren. Die Abwehr läßt ihm
(von uns gewollt) Raum für Gleichgewicht und selbständige Bewegung;
leider ohne daß er diesen für eine sichere Fallübung nutzt.
Nähme ihm eine (richtige) Abwehr diese Kontrolle, folgte bei
ungeübter Fallschule ein unkontrollierter und schnell verletzender Fall.
Auch dient Fallschule dazu – damit sich der Abwehrende nicht
zurückhalten muß – aus richtig und schnell
ausgeführten Hebeln/Stößen den verletzenden Druck zu
nehmen.
Eine unerwartete Abwehr kann vom Angreifer nicht so leicht behindert werden und wäre erfolgreicher.
Es ist aber nicht unsere Absicht, unseren Übungs-Partner wirksam zu überraschen. Denn wir
wollen ja gerade sicher sein, daß er im Rahmen seiner Fähigkeiten mit
unserer Abwehr umgehen kann und unbeschadet bleibt. Deshalb ist selbst eine freie Abwehr
immer nur ein kleiner Ausschnitt der möglichen Reaktionen und
immer anders als in einem denkbaren „Straßen-Aikido“.
„Das ist kein ‚realistischer‘ Angriff !“
Natürlich nicht. Und inbegriffen in Befund und Antwort: die Abwehr, die Übung, die
ganze Situation auch nicht. Aber ab wann ist es denn „realistisch“, oder zumindest wirklichkeitsnah?
Ist das, was wir übend gerade noch bewältigen könnten nah genug oder immer noch weit davon entfernt und somit eine illusorische Übung?
Zu was sollen uns die Übungen befähigen, was ist „Erfolg“ (wenn wir ursprünglich angetreten sind,
Aikido zu lernen)? Was bringt es uns (und ihm), den Partner mit einem Angriff auf die Probe zu stellen?
Lernt, reagiert und verfügt besser, wer eine unkomplizierte (d.h. unrealistische) Form hundertmal übt,
oder wer viele realische Komplikationen in hundert Varianten je einmal übt?
Dem Einen wird seine geübte Situation nie begegnen,
dem Anderen wird seine ungeübte Reaktion nie gelingen;
und beide werden – technisch gesehen – scheitern.
Vielleicht sind das aber auch nicht die Übungs-Alternativen und nicht mal die Möglichkeiten überhaupt.
Wer einen Hammer hat (eine Kampfkunst betreibt) sieht in jedem Problem einen Nagel (eine „kampftechnische“ Lösung).
Protective Strategies: Response
How you define success determines the actions you take to achieve it. You need
to reflect and get clear on what “success” in a confrontational situation means
to you. You need to differentiate between just doing things right (technique) and
doing the right things (decisions). There’s a huge difference!
Unless you do, you can pour a ton of time and energy into self-defense training
that will do nothing to improve your safety. Selecting the wrong self-defense
strategy at the wrong time can make matters worse!
Protective Strategies: Awareness
What is Successful Self-Defense?
How you define success determines the strategies you implement to achieve it.
Many people confuse the ability to defend themselves with the ability to fight.
If your image of successful self-defense is fighting off an assailant, your
solution will be directed at learning physical techniques. You would be missing
the point.
Success in self-defense is not winning a fight but avoiding it. The ultimate
success in self-defense is when nothing to happens! If that’s not possible,
consider this philosophy: If you can’t prevent it, avoid it. If you can’t avoid
it, defuse it. If you can’t defuse it, escape. If you can’t escape, you may have
to fight your way out of the situation. If you do have to fight, it will be as a
last resort, not a first. Does this philosophy influence your success
strategies?
Möchte ich in einem fast regellosen Mixed-Martial-Arts-Fight bestehen können?
Möchte ich eine No-Go-Area durchwandern oder an Hooligan-Straßenschlachten teilnehmen?
Möchte ich einen Fight-Club wie im gleichnamigen Film gründen und der „beste“ bare-knuckles Kämpfer sein?
Möchte ich jahrelang „realistisch“ üben, um einige Jahrzehnte später als „Ey, Alter!“ von
hinten niedergetreten zu werden, weil ich auf flegelhaftes Benehmen hinwies?
Partner in Angriff und Abwehr
Jeder von uns hat Hemmungen, seinen Partnern Schmerzen zuzufügen. Das sollte
zumindest so sein – wir hoffen es, erwünschen und spätestens erstreben es –
und es ist für einen rücksichtsvollen Umgang und das Training unverzichtbar.
Wir müssen es bemerken, wenn (und bevor) wir unsere Partner überfordern, und wir müssen
an unseren Partnern unsere manchmal schmerzerzeugenden Fehler erkennen.
Umgekehrt wollen wir die Aikido-Techniken ohne die angezogene Bremse der Hemmung
ausführen können, und auch an eine solche Ausführung gewöhnt sein!
Nur das macht sie im Notfall verfügbar und wirksam. Das erfordert …
- Überwindung, Übung, Gewöhnung (durch mehr Übung);
- das Wissen, daß wir nicht die härtesten, folgenschwersten und gefährlichsten Techniken benutzen, die zur Abwehr möglich oder denkbar wären;
- einen Partner, von dem wir wissen, daß er Dank seiner Fähigkeiten unsere Techniken ohne Folgen für Gesundheit und Vergnügen entschärfen und verkraften kann: durch Reaktionsvermögen, Fallschule, Entspannung („weich sein“ können), Erkennen der Abwehr usw.
- einen Partner, der aktiv in uns Vertrauen in seine Fähigkeiten erzeugt. Wir können das nicht einfach mal durch „probieren“, erzwingen und „durchziehen“ einer Technik testen; er muß uns sein Können anbieten und erfahren lassen.
- das Wissen um gegenseitige Aufmerksamkeit, Rücksicht und Sorgfalt; das Bemühen, keinerzeit das Maß an Zumutung für unseren Partner zu überschreiten. Dieses individuell rechte Maß muß im ständigen Austausch gefunden und vermittelt werden.
Für diese Anstrengung, die uns ein „hemmungsloses“ Üben ermöglicht, und
die Bereitschaft, doch einige Schmerzen zu erdulden, uns Fehler zu erlauben,
Techniken probieren und funktionieren zu lassen, verdient ein Partner immer Respekt und Höflichkeit.
Nur weil Aikido-Techniken sich selbst beschränken, und nur weil sie in diesem Rahmen stattfinden,
können wir sie an und nicht nur mit einem Partner üben.
Unscheinbare Elemente der Selbstverteidigung
Fallschule ist Selbstverteidigung, weil sie (denjenigen in der Rolle des
Angreifers) lehrt, rechtzeitig und richtig auf die eigene Sicherheit zu
achten. Die Art der Abwehr will möglichst schnell erkannt sein. Ebenso
der Zeitpunkt, an dem weiterer Angriff und Widerstand sinnlos wird und
sauberer Fall noch im Bereich der eigenen Fähigkeiten liegt. Ein
Angreifer sollte nur soweit angreifen, wie er fallen kann. Schließlich
möchte man Aikido länger betreiben.
Entspannung ist Selbstverteidigung, weil sie einerseits Beweglichkeit und
Schnelligkeit unserer Reaktion erhält/erhöht. Andererseits ist sie in sich und aus Sicht eines Angreifers
eine eher unerwartete Reaktion, die ihm weniger Angriffs-, Halte- und Kontrollmöglichkeiten bietet.
Es gibt anfangs keine Kraft, gegen die er sich richten kann, bzw. wir können seiner
Kraft eine neue für uns nützliche Richtung geben. Für einen Angreifer in der Übung ist der richtige
Wechsel zwischen anfänglicher Angriffsenergie und rechtzeitiger Entspannung wichtig.
Erst das macht eine Aikido-Übung an ihm ohne Einschränkung ausführbar. Und erst das ist
der „Gewinn“ einer Übung – für beide.
Beobachtung ist Selbstverteidigung, weil die Art eines Angriffs möglichst
schnell erkannt sein will. Oder vorher noch besser: daß überhaupt ein
Angriff oder eine bedrohliche Lage vorhanden ist. Geübt wird dies während
des scheinbaren „Nichtstuns“, während man aufmerksam die neue
Vorführung des Meisters verfolgt, statt in die wohlige Leere der Erschöpfung
zu versinken. Ziel ist, sich intuitiv und zwanglos, d. h. ohne
innere Verspannung, ohne bewußt erzeugte und erhaltene Aufmerksamkeit in die
Bewegung eines Angreifers versetzen zu können.
Eine richtige Aikido-Technik braucht sich nicht gegen Widerstand
durchsetzen, weil sie genau die Richtung und Kraft ist/hat, die der
Angreifer vorgibt und einbringt, die er „will“, und die von
einer Technik aufgenommen, umgeleitet, und für eigene Zwecke genutzt
wird. Zum Beispiel, um ihn zu Fall oder in eine Position für einen
Hebel zu bringen. Kann ein Angreifer bei Gelegenheit widerstehen („wieder stehen“),
zeigt er einen Mangel der Aikido-Technik auf. Jeder Widerstand, der eigentlich einen fortgesetzten Angriff bedeuten sollte,
bringt aber auch wieder eine Richtung und Kraft
hervor, der nachgegeben, die neu genutzt werden kann. Harmonisch eben,
wie es in den Begriffen „ai-ki“ ausgedrückt ist, und zugegeben: im
idealen Fall.
Ein derartiger Anspruch macht Aikido nicht gerade leichter und schneller zu erlernen
als andere Kampfkünste. Was ich von diesem Anspruch halte, ob und wie gut ich ihn
– in welchen Situationen eigentlich? – erfüllen will,
entscheidet mit darüber, welche Erwartungen ich von Aikido als Methode der Selbstverteidigung habe.
Es gibt für manche Selbstverteidigungs-Situation noch
genügend harte Technik-Varianten aus dem
Aiki-Jujutsu, der
ursprünglichen Kriegskunst. Sie ergänzen Aiki-Do meist nahtlos,
wenn es auf die Reinheit eines Weges nicht so ankommt.
Es ist eine grundsätzliche
Entscheidung, einen Angreifer nicht schwer verletzen zu wollen und
deshalb Aikido zu wählen. Für viele kleine Gefahren – und wer schon ist wirklich großen Gefahren und Kämpfen ausgesetzt? – mag das die
bessere Wahl sein. Wie reagiere ich auf simples, aber unangenehmes
Festhalten? Mit Faust- oder Kniestößen? Die Hemmschwelle, eine Löse-Technik
(hazushi waza) anzuwenden, die für den Greifer auch
„nur“ unangenehm ist, liegt niedriger. Sich einfach aus Rempeleien
herausdrehen und dabei unser Gleichgewicht bewahren können
(sabaki waza), gehört auch dazu. Ein Kampf ist dann
vielleicht vorbei, bevor er richtig anfängt oder schlimmer wird. Früher ist
weniger, und weniger ist leichter. Bescheidenheit (der Mittel) kann ein Vorteil sein.
Selbstverteidigung ist nicht das Ziel des Unterrichts, und ein
ständiger Gedanke daran eher hinderlich. Wir versuchen aber ein Aikido
zu lehren, das Illusionen über die eigenen Fähigkeiten vermeidet,
und das einen Weg zur Selbstverteidigung zumindest nicht verstellt.
Letztlich geht es natürlich darum, daß Aggression, der man sich
nicht auf einfachem Wege entziehen kann, bewältigt und nutzlos gemacht
wird, daß Techniken
„gehen“. Sie dürfen deshalb nicht
vorzeitig durch unklare „geistige Wege“ ersetzt werden.
Deshalb sollte Aikido auch nicht reines Formtraining sein, bei dem Techniken
je nach Schule/Ryu traditionell oder beliebig diese oder jene Form haben.
Nach Absicht und Wirksamkeit muß gefragt und entsprechend geändert werden.
Techniken sind wichtigste Grundlage, Selbstverteidigung geht weit
darüber hinaus – und kann aus ihnen wachsen. Auftreten,
Achtsamkeit, die innere Ruhe, klares Urteil, rechtes Maß, entspannte
Konzentration, Abschätzen und Erfahrung eigener und Anderer
Fähigkeiten gehören dazu.
Selbstverteidigung gegen Messer
Besonders kritisch und mißverständlich ist die im Aikido waffenlose Abwehr von Messer-Angriffen
(Tanto-Dori). Weder das japanische Messer mit einer
Schneide, noch die Art und Weise des Angriffs und seiner Abwehr entsprechen
Herkunft und Führung eines heutigen Messers (und Messerkampfes).
Stock, Schwert und andere Kobudo-Waffen erkennt jeder sofort als
„exotisch“ und speziell, als Übungswaffen eben.
Aber ein Training oder eine Vorführung mit Messer trifft sowohl auf populäre
Vorstellungen eines Messerkampfes (Kino z.B.) als auch
auf die tatsächlichen Methoden eines Messerangriffs – ohne daß dabei
die zeitgeschichtliche und lokale Bindung des Aikido-Tanto-dori so offensichtlich wäre:
einschneidige Klinge, kräftiger, zielgerichteter und eindeutiger Stoß, der einen
Schutz durchdringen soll, keine Finten, keine Schnitte. Und die Aikido-Abwehr entspricht,
ganz traditionell und spezialisiert, ausschließlich solchen Angriffen.
Ein Aikido, das auf andere Varianten reagieren können will, müsste Elemente
anderer Kampfkünste übernehmen. Und damit selbst etwas anderes werden.
Ich kann eine Funktion des Tanto-dori nur noch innerhalb des Aikido erkennen, zur Lehre
und Verbesserung bestimmter waffenloser Techniken. Also eher eine
pädagogisch dienende Funktion statt einer wirklichen Messerabwehr.
Als eine Form der Konzentration geübt, kann das Holzmesser die normalen
Aikido-Techniken „dringender“ und in vieler Hinsicht
präziser machen. Richtig verstanden erfüllt Traditionelles manchmal auf
Umwegen einen Zweck.
Techniken, die „nie gehen“
Es gibt eine Reihe von Techniken, die – oft geübt – den
Eindruck erwecken, doch „nie zu gehen“. In dem Sinne, daß
sie
(1) keinen schmerzhaften Hebel oder sonstwie zwingendes Element enthalten;
(2) zum Erfolg anscheinend ständig einen gefügigen und freundlichen
Angreifer brauchen, der
(3) anschließend locker davon rollt und lächelnd wiederkehrt.
Welchen Sinn machen solche Techniken, die doch von Selbstverteidigung so weit entfernt scheinen?
[...]
Aikido ist eine Art der Bewegung, nicht eine Sammlung technischer Tricks.
Techniken sind nicht von selbst aus sich heraus wirksam, sondern erst mit
der Bewegung, mit der man sich und den Partner in die Technik führt.
Jeder kann sich fragen:
Sind Abstand und Zeitpunkt richtig? Ist der ganze Körper an der Bewegung
beteiligt? Führen die Bewegungen „auf den Punkt“? Ergänzen oder
behindern sie sich? Sind sie ruhig, gleichmäßig und fließend? Haben sie bzw.
führen sie in mehr
als nur eine (ausgleichbare) Richtung? Sind sie sparsam, d.h.
auf das Nötigste beschränkt? Ohne Korrekturschritte und -stolperer,
ohne Pausen, ohne
Übertreibungen, ohne Verschönerungen um der „Kampfkunst“ willen?
Was ist mit Atmung und Spannung? Bin ich vorher und nachher entspannt? Ist
die Spannung in der Bewegung elastisch, so daß ich zwar führen, aber auch
reagieren und variieren kann? Bin ich während der ganzen Bewegung hindurch
im und der Partner aus dem Gleichgewicht (und in geführter
Bewegung)? Zwinge ich den Partner mit meiner Körper-Kraft und mit Schmerz, oder führe ich
ihn mit seiner Kraft aus meinem „starken“ Zentrum?
[wird noch fortgesetzt ...]
Was heißt hier „Kampfkunst“? Wieso wird nicht gekämpft ?
Häufig werden „Übung “, „Kampf“ und „Kunst“ verwechselt oder je nicht verstanden.
Aikido ist eine Kampfkunst, aber weder Kampf noch Kunst.
Nur in der Übung kommen diese Begriffe/Elemente zusammen.
Aber: Kampf (-techniken) zu üben, heißt nicht, die Aikido-Techniken kämpfend zu üben.
Das wäre körperlich zu gefährlich, und so steht man vor der Wahl: entweder (1) die Anzahl und
Wirksamkeit der Techniken, oder (2) die Verletzbarkeit der Körper (mit Schutzkleidung),
oder (3) das Gegeneinander der Übung auf ein verträgliches Maß reduzieren. Aikido
ist eine Entscheidung für ein Miteinander. Ausgeführtes Aikido können wir
stetig verbessern, mit Hilfe und Hinweisen unseres Partners. Durch „wissende“
und „fähige“ Angreifer verhindertes (statt gefördertes) Aikido, oder gegen falschen Widerstand
durchgesetztes Aikido bringt uns diesen Stil nicht näher – und macht wenig Spaß.
So wie es nicht um Kampf geht (der richtige Übung der angestrebten Techniken
zunichte macht), geht es auf der anderen Seite nicht um das mechanische Abspulen
festgelegter Bewegungsformen.
Angriffe und Angreifer (unsere Übungs-Partner) sollen auf angemessene Weise
kontrolliert werden. D.h. daß man in letzter Konsequenz die Kontrolle auch
gegen die Absichten des Partners ausübt, indem man die wirkenden Kräfte zu
eigenem Vorteil aufnimmt und umleitet. Es braucht viel äußere (technische) und
innere Freiheit, um erst in der Ausführung eine Balance zwischen Geben und Nehmen,
Leiten und Lassen zu finden, die in Kontrolle mündet. Erst in diesem
Sinne ist das Können eine „Kunst“, aber eben auch nicht mehr als ihr
immer wiederholtes Können-Üben.
Innere Kampfkunst
Prinzipien innerer Kampfkünste [Wikipedia]
Während die äußeren Kampfkünste (…) die Entwicklung von Geschicklichkeit, Muskelkraft und/oder Geschwindigkeit voraussetzen,
basieren die inneren Kampfkünste auf der daoistischen Idee,
daß Hartes durch Weiches besiegt werden kann, weil es diesem keinen direkten Widerstand entgegensetzt. Um diese Idee umzusetzen,
werden beim Üben der inneren Kampfkünste die folgenden Prinzipien beachtet:
- die Bewegungen sollen fließend, bewusst und entspannt ausgeführt werden
- der Körper soll bei fortschreitender Übung immer genauer wahrgenommen werden
- der Geist soll stets bewusst und aufmerksam sein
- der Geist soll sich nicht auf eine bestimmte Handlung oder Reaktion versteifen, sondern „natürlich“ reagieren (Wu wei)
Damit diese Prinzipien umgesetzt werden können, werden die Bewegungen zumindest anfangs meistens auch langsam geübt.
„… und was ist mit Spaß & Sport ?“
Es ist die Kunst im Aikido, die geeignete Technik zu „finden“,
ohne sie sich vorher zurecht zu legen. Das heißt: ohne bewußte
Wahl muß der Körper sie finden. Da ist nur eine (und vielleicht
noch eine halbe) Gelegenheit zum Wurf. Aikido
kennt kein Geplänkel und kein Gezerre. Ein Kampf ist vor dem (An-)
Griff entschieden und dann möglichst schnell beendet. Besonders
herausfordernd wird das im Randori, bei freien Angriffen und freien
Techniken mit mehreren Angreifern. Hier kann man den “Kick”
(peak experiences) und den “Flow” erleben, den auch
manche Extremsportarten bieten. Um es zu betonen: das ist kein
(Wett-) Kampf, bei dem es um Gewinnen oder Verlieren geht, sondern nur
darum, die Situation überhaupt und für sich zu
bewältigen.
Die Länge des Selbstverteidigungs-Abschnitts – das Kampf-Thema –
erweckt den Eindruck, als ob das wichtig sei. Es sind aber nur Fragen, die
immer wieder kommen und die ich leider nicht mit wenigen Worten
klären kann.
Uns macht Aikido einfach nur Spaß. Es fordert uns heraus, die
schwierigen Bewegungen zu meistern und sie auch noch elegant und einfach,
wie selbstverständlich aussehen zu lassen. Es ist interessant zu
erfahren, was man auf diese komische Art mit dem Körper anstellen kann.
Außerdem sieht es manchmal schlicht gut aus. Vielleicht hat uns
ursprünglich diese ästhetische Verführung auf den Weg
gebracht.
Es ist schön, dabei mit anderen Menschen – unseren Partnern
– zusammen zu üben. Deren jeweilige Eigenarten machen jede
Technik zu einer etwas anderen. Und wir teilen das gleiche Interesse:
herausfinden, wie eine Technik geht (oder warum sie noch nicht geht), welche
Varianten und Möglichkeiten sie noch enthält, wie sie an
Situationen und Partner anzupassen ist – das Erstaunen und die
Fortschritte beobachten wir gerne.
Wir lernen, eigene Bewegungen (und natürlich die des Partners oder
eines Angreifers) intuitiv „lesen“ zu können. Genau so, wie wir
hier Worte und Sätze lesen, ohne einzeln zu buchstabieren.
“Ouyouwaza and Henkawaza”
By Hiroshi Ikeda, translated by Jun Akiyama
“Does it really work?” The goal of any budoka is to be able to
execute effective techniques.
In the challenging quest for effective technique, there are two Japanese words –
ouyouwaza and henkawaza – which describe concepts essential to
ensuring that “it really works.”
In deceptively simple terms, ouyouwaza is the study of how to make a
technique effective, or how to get the job done. It is akin to using a drinking
glass to hold a flower, when no vase is available; or to seasoning a dish with
soy sauce, when the salt shaker is empty. The aspect of adaptation and/or
change is inherent in the definition of ouyouwaza, and a certain mindset is
implied.
Henkawaza is somewhat more straightforward and refers to the study of how
one technique changes into another – ikkyo into nikyo, for instance, or ikkyo
into shihonage. Henkawaza comes into our training when we start to learn how to
change spontaneously from one technique to another, when we realize when the
first technique is not effective in a certain situation. For example, we may
start one technique but realize that our partner is resisting – so we change our
technique to use that resistance to transform the technique into something else.
Although we may not explicitly refer to these either of these two concepts
during our budo training, chances are that all students have encountered both
henkawaza and ouyouwaza through everyday practice.
One could say that ouyouwaza is the next phase beyond kihonwaza (basic
techniques). It takes years to establish our base repertoire, learning to
reliably execute the step-by-step, basic movements of kihonwaza – ultimately
to break free of them and engage in the intriguing prospect of “making budo work
in a real-life situation.” We all know that in a typical training session, our
partner is, for the most part, cooperative and takes ukemi for us. However,
when our partner or opponent decides to experiment with either muscle resistance
or with “center”, we have a rude awakening – “it doesn't work.”
In this situation, we have to be able to draw upon all that we have learned in order
to make our techniques effective with non-cooperative partners.
Ouyouwaza and henkawaza overlap somewhat in meaning, both being techniques that
cultivate the ability to think freely and move without constraint. In our
chosen budo, we train for this open, fluid mindset through randori (freestyle)
training, kumite (sparring) training, and shiai (competitive) training. The
value of these practices is that they all require and reinforce flexible
awareness, while demonstrating the fallacy of preconceiving specific techniques.
Textkopie von
BuJin
Newsletter 19, August 2001
Exkurs und Links zu Aiki-Jujutsu
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